01.09.2017
Fünf Jahre Transparenzpaket - Eine kritische Bilanz aus zivilgesellschaftlicher Perspektive
Die Evaluierung, erstellt vom Politologen Hubert Sickinger, Mathias Huter (Forum Informationsfreiheit), Florian Skrabal (DOSSIER) und Marion Breitschopf (Meine Abgeordneten), zeigt, dass das geltende Regelwerk zahlreiche Schwächen und Schlupflöcher enthält. In mehreren Fällen können wichtige Gesetzesbestimmungen kaum kontrolliert und durchgesetzt werden. Weitgehende Nachbesserungen wären dringend notwendig, um in demokratiepolitisch wichtigen Bereichen echte Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen.
Zentrale Kritikpunkte
Parteienfinanzierung
Für die Nichtabgabe eines Rechenschaftsberichts ist derzeit keine Sanktion im Parteiengesetz (PartG) vorgesehen, was jegliche Verpflichtung zur Transparenz ad absurdum führt. Die Überschreitung der erlaubten Wahlwerbungskosten von sieben Millionen Euro bleibt straffrei, wenn eine Partei diese von vornherein nicht deklariert.
Der Rechnungshof ist bisher nicht in der Lage, von sich aus die Bücher der Parteien zu überprüfen. Eine Meldung von Verstößen an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats ist ihm nur auf Basis seiner „Überprüfung“ der Rechenschaftsberichte möglich. Sachleistungen (Kostenübernahmen) Dritter sind zwar als Spenden zu deklarieren; falls eine Partei sie allerdings nicht deklariert, können sie von Kontroll- und Sanktionssystem nicht erfasst werden.
Die Parteien sind nicht zur Veröffentlichung sämtlicher Vermögens- und Schuldanstände verpflichtet.
In vielen Staaten sind Parteien längst verpflichtet, bereits eine Woche vor dem Wahltag Details zur Wahlkampffinanzierung – sowohl Einnahmen als auch Ausgaben betreffend – in einer vorläufigen Offenlegung zu publizieren.
Der Schwellwert zur unverzüglichen verpflichtenden Meldung von Großspende(r)n von 50.000 Euro sollte deutlich abgesenkt werden, etwa auf 10.000 Euro.
Transparenz der Einkommen und Vermögen von Abgeordneten
Einkommensquellen von NR-Abgeordneten werden als Gesamtsumme, der Einkommenskategorie, ausgewiesen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wie viel konkret über welche Einkommensquelle erwirtschaftet wird.
Werden die Listen von der Parlamentsdirektion aktualisiert, sind alte Informationen nicht mehr abrufbar.
Abgeordnete müssen bislang keine Informationen zu Vermögen, Beteiligungen, Schulden und Verbindlichkeiten veröffentlichen.
Verstößt jemand gegen dieses Gesetz, sind keine Strafen vorgesehen.
Lobbying
Die derzeitige Gesetzeslage erlaubt es BürgerInnen nicht nachzuvollziehen, welche Akteure mit welchen Ressourcen und mit welchen Zielen Lobbying betreiben.
Zahlreiche Akteure, etwa RechtsanwältInnen, sind nicht von der Registrierungspflicht erfasst.
Für die Einhaltung der Regeln und das Verhängen etwaiger Sanktionen bei Verstößen gibt es keine zuständige Stelle.
Kontakte zwischen Lobbyisten und Interessensvertretern mit Vertreter_innen der Ministerien und der Kabinette sind für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar und werden oft nicht ausreichend dokumentiert.
Weder gibt es eine automatische Veröffentlichung solcher Kontakte, noch werden diese auf Anfrage offengelegt. Etwaige Einflussnahmen auf Entscheidungen und Gesetzesentwürfe bleiben so im Dunklen.
Medientransparenz
Auch bei den Medientransparenzdaten gibt es keine vollständige Offenlegung: Aufträge, die weniger als € 5.000,- pro Quartal und Medium ausmachen, müssen nicht gemeldet werden („Bagatellgrenze“). Laut Rechnungshof entsteht eine Dunkelziffer von 30 bis 50 Prozent der gemeldeten Geldflüsse (etwa 60 bis 100 Millionen Euro im Jahr).
Aus den veröffentlichten Daten geht nicht hervor, welche Leistung erbracht wurde. Somit ist das zentrale Kriterium für die Beurteilung der Angemessenheit des bezahlten Preises nicht berücksichtigt: das Preis-Leistungs-Verhältnis.
Laut Rechnungshof verstießen 50 Prozent der von ihm geprüften Rechtsträger gegen das Hinweis- und Kopfverbot. Nach wie vor werden öffentliche Mittel missbräuchlich für persönliche Imagepflege oder parteipolitische Zwecke verwendet. Bei Missachtung des Hinweis- und Kopfverbotes sind bislang keine Sanktionen vorgesehen.
Informationsfreiheitsgesetz
Während die Gesetze des Transparenzpakets von 2012 in wichtigen Bereichen automatisch Transparenz schaffen sollten, braucht es überdies noch ein starkes und internationalen Standards entsprechendes Informationsfreiheitsgesetz.
Nach mehr als vier Jahren politischer Versprechen gibt es weiterhin kein Informationsfreiheitsgesetz, das BürgerInnen Zugang zu Auskünften, Daten und Dokumenten einräumt. Österreich hat als letzte Demokratie Europas ein in der Verfassung verankertes Amtsgeheimnis. Die Auskunftspflichtgesetze des Bundes und der Länder entsprechen nicht internationalen Standards.
Viele Länder, die ihren BürgerInnen ein Grundrecht auf Informationszugang einräumen, haben politisch unabhängige Informationsfreiheitsbeauftragte (oft kombiniert mit der für Datenschutz zuständigen Behörde), die die Umsetzung von Transparenzgesetzen überwachen und Behörden und BürgerInnen bei Aspekten des Informationszugangs zur Seite stehen. Die Erfahrung aus diesen Ländern zeigt, dass solche Stellen wesentlichen Einfluss auf die praktische Umsetzung von Transparenzbestimmungen haben.
In mehreren europäischen Ländern sind Daten und Dokumente zu Vergaben, Beschaffungen, Förderungen, Subventionen und vergleichbare Verträge von Behörden (ab gewissen Höhen) automatisch online zu veröffentlichen. Hier hat Österreich dringenden Aufholbedarf.
Konstruktiver Diskus zum Thema eingefordert
Die Kritikpunkte an dem Gesetzespaket sind vielfältig und ziehen sich quer durch alle Bereiche: Mangelnde Sanktionen bei Übertretungen, mangelnde Nachvollziehbarkeit und lasche Handhabung, um nur einige zu nennen.
Diese Evaluierung ist eine Einladung an die Politik, sich mit der Zivilgesellschaft an einen Tisch zu setzen und das Thema Transparenz konstruktiv und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu diskutieren.
Download: Evaluierung Langfassung (.pdf)
Download: Evaluierung Kurzfassung (.pdf)