13.09.2012
Die U-Ausschuss Debatte: Ein Sittenbild österreichischer Politik
Mittwoch, 11.07.2012: SPÖ, ÖVP und BZÖ beantragen in der letzten Tagung vor der Sommerpause, dass keine weiteren Akten zu „bereits abgeschlossenen“ Themengebieten an den U-Ausschuss geliefert werden sollen. Vorsitzende Moser (Grüne) erklärt dies für unzulässig – die Geschäftsordnung würde keine Möglichkeit vorsehen, Aktenlieferungen zu stoppen. Diese abgeschlossenen Themengebiete – Tetron, Telekom, BUWOG – betreffen vor allem SPÖ, ÖVP und BZÖ. Zwar wurden diese Gebiete tatsächlich schon im Ausschuss behandelt, durch die aktuellen juristischen Ermittlungen entstehen jedoch ständig neue Dokumente. Diese Akten sollen dem U-Ausschuss durch den Antrag verwehrt bleiben. Das ist kurios, da Telekom-Manager Gernot Schieszler erst am Schluss des U-Ausschusses geladen werden sollte. Zusätzlich werden die Akten für die Erstellung des Endberichts benötigt. Gegen Werner Amon (ÖVP) und Stefan Petzner (BZÖ) laufen aktuell Ermittlungen in der Telekom-Causa. FPÖ-Rosenkranz zum Antrag: „Vom Selbstverständnis des Ausschusses her eine Katastrophe“. Doch warum beantragen SPÖ, ÖVP und BZÖ überhaupt einen Aktenlieferungsstopp? Otto Pendl (SPÖ) meint, man könne nicht ununterbrochen mit Akten zugeschickt werden. Amon (ÖVP) meint, der Untersuchungsausschuss solle sich auf die weiteren Themen konzentrieren.
August 2012: Der Ausschuss pausiert. Justiz- und Innenministerium liefern vorerst keine Akten mehr – bis Klarheit herrsche, so die Ministerien. Im Herbst soll der Untersuchungsausschuss die Themengebiete Staatsbürgerschaften, Ost-Geschäfte der Telekom und „Inseratenaffäre“ behandeln. Im Zentrum letzterer Causa steht Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Noch im August war für ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf klar: „Alles andere als ein Auftritt (Faymanns) vor dem Ausschuss würde niemand verstehen.“
Freitag, 31.08.2012: Nach der Sommerpause erscheinen SPÖ und ÖVP überraschend nicht zur gemeinsamen Vorbereitungssitzung der Fraktionsführer. Als die Sitzung um 13 Uhr beginnt, legen ÖVP, SPÖ, BZÖ und FPÖ mehrere Anträge vor. Die Grünen waren nicht eingeweiht. Auf der Zeugenliste fehlen überraschend Werner Faymann (SPÖ), Gabi Burgstaller (SPÖ) und Uwe Scheuch (FPK). Es scheint, als ob ein Deal zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ ausgemacht wurde, denn plötzlich stimmen auch die Freiheitlichen mit Regierungsparteien und BZÖ. Im Ausschuss stehen mehrere von SPÖ, ÖVP, BZÖ und FPÖ eingebrachte Anträge zur Abstimmung, unter anderem die Zeugenliste und der Aktenlieferungsstopp. Moser (Grüne) erklärt letzteren erneut für unzulässig. Daraufhin ziehen SPÖ und ÖVP die Zeugenliste zurück, die Sitzung wird ergebnislos beendet.
Donnerstag, 06.09.2012: Um die Situation zu deeskalieren wird ein gemeinsames Frühstück mit Nationalratspräsidentin Prammer (SPÖ) angesetzt. Prammer erklärt, dass sie – anders als Moser – den Antrag von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ für juristisch zulässig halte. Gleichzeitig versichert sie jedoch, dass der U-Ausschuss alle Akten bekommen werde. Moser ist aufgrund dieser Garantie bereit, am Nachmittag über den Antrag abstimmen zu lassen. Sie verärgert die anderen Parteien jedoch durch eine schriftliche Erklärung, die sie kurz vor dem U-Ausschuss an Journalisten austeilen lässt. SPÖ und ÖVP – offenbar von den Ereignissen überrascht – blockieren jetzt ihren eigenen Antrag und vertagen die Sitzung. Damit ist weiterhin für Stillstand gesorgt. Zusätzlich schießen sich die anderen Parteien auf Moser ein, manche fordern gar den Rücktritt der Vorsitzenden. Man hört erstmals von „Fristsetzungsanträgen“ und einem Ausschuss-Ende binnen zweier Monate.
Montag, 10.09.2012: SPÖ-Fraktionsführer Otto Pendl fordert eine Sitzung der Fraktionsführer, um gemeinsam über die weitere Vorgehensweise zu diskutieren. Moser schlägt Dienstag, 11. September vor, da hier ohnehin eine Sitzung des U-Ausschusses geplant ist. Kurioserweise hatte die SPÖ den Dienstag bereits verplant und sagt ab und schlägt Donnerstag vor. ÖVP-Fraktionsführer Amon ist verhindert – am Donnerstag halte die ÖVP ihre Klubklausur in Saalfelden ab. Man werde sich aber, so Amon, bemühen, rechtzeitig nach Wien zu kommen. Am Abend erklärt Bundeskanzler Faymann im ORF-Sommergespräch, er sei jederzeit bereit, im Ausschuss zu erscheinen. Die Abgeordneten könnten dies autonom entscheiden, es gäbe keine Weisung.
Dienstag, 11.09.2012: ÖVP-Fraktionsführer Amon dazu: „Wir haben uns mit der SPÖ auf eine Ladungsliste geeinigt“, so Amon, die SPÖ zu überstimmen, wäre Koalitionsbruch und würde Neuwahlen bedeuten. Auch ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf meldet sich zu Wort: Er wünsche sich einen Auftritt Faymanns, dies sei jedoch Sache der SPÖ. Am Abend diskutieren in der ZIB2 die Klubobleute Josef Cap (SPÖ) und Eva Glawischnig (Grüne) über den U-Ausschuss. Cap bekräftigt, dass Faymann nicht vor dem Ausschuss erscheinen müsse, da er ohnehin schon alle Fragen im ORF-Sommergespräch beantwortet habe. Cap bezichtigt Glawischnig, der ihr einen „unschuldigen Augenaufschlag“ attestiert, Vorwahlkampf zu betreiben. Der SPÖ-Klubobmann fordert erneut den Rücktritt von Gabriele Moser, obwohl er mit ihrer Arbeit vor der Sommerpause zufrieden gewesen sei.
Mittwoch, 12.09.2012: Nationalratspräsidentin Prammer (SPÖ) kritisiert ihren Parteikollegen Cap: Dessen Aussagen seien „Unsinn“, ein ORF-Sommergespräch nicht mit einem U-Ausschuss vergleichbar.
Die nächste Sitzung ist für morgen, Donnerstag, 13. September, anberaumt.
Alle Indizien deuten daraufhin, dass die Vorsitzende Gabriele Moser als Grund für ein Ende des Ausschusses benutzt werden soll. SPÖ, ÖVP, BZÖ und FPÖ scheinen kein Interesse an einer Fortführung des U-Ausschusses zu haben. Ein riskantes Spiel, stehen doch im nächsten Jahr Nationalratswahlen an. Ein U-Ausschuss "neu" auf dessen Zeugenliste nicht nur der Kanzler, sondern auch diverse Minister, Staatssekretäre und andere Spitzenpolitiker stehen, würde, salopp gesagt, etwas "Pepp" in den Wahlkampf bringen.
Update: Donnerstag, 13.09.2012: Laut ersten Informationen fordert die SPÖ Mosers Rücktritt. Erfolge dieser nicht, stehe ein Ende des Ausschusses im Raum. Für Freitag, 14.09., ist ein Treffen im Präsidium des Parlaments anberaumt.
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