02.07.2012
Mehr Transparenz - weniger Freiberufler im Parlament?
Das ausverhandelte Transparenzpaket sieht keine umfassenden Regelungen für freiberuflich tätige Abgeordneten vor. Klienten müssen nicht gemeldet werden, die Angabe „Rechtsanwalt“ reicht für eine laut Gesetz korrekte und vollständige Offenlegung aus.
Dabei sind gerade selbstständige Anwälte, Unternehmens- oder Steuerberater prädestiniert, Interessenskonflikte zu erleben. Warum ist das Gesetz genau hier so zahnlos? Die verantwortlichen Verhandlungsführer Cap (SPÖ), Wittmann (SPÖ) und Gerstl (ÖVP) argumentieren laut Parlamentskorrespondenz, dass bei einer Nennung der Klienten „diese Personengruppe aus dem Parlament gedrängt werden würde“. Cap wies weiters auf das Problem der Abgrenzung hin: für ihn sei es nicht vorstellbar, Ärzte zu verpflichten, die Namen ihre Patienten bekannt zu geben.
Deutschland: Mehr Transparenz, mehr Rechtsanwälte
Ein Blick nach Deutschland, dessen Regelungen oft als Vorbild für die Reform der Transparenzgesetze genannt wird, widerlegt die Argumente der Koalitionsparteien. In Deutschland wurden im Juni 2005 stärkere Transparenzregeln eingeführt. Die Zahl an Rechtsanwälten unter deutschen Bundestagsmandataren ist seither jedoch konstant gestiegen. So gab es vor der Neuregelung 44 Rechtsanwälte (2002-2005), mittlerweile sind es 63. Die Rechtsanwälte können sich bei der Veröffentlichung ihrer Daten auf Verschwiegenheitspflichten berufen, wodurch die Klienten anonymisiert publiziert werden. Dennoch kann durch diese Informationen beurteilt werden, wie abhängig ein Rechtsanwalt von einzelnen Klienten ist – etwa, wenn ein Kunde mehr als € 10.000,- pro Monat überweist.
Großbritannien: Absolute Transparenz, leichter Rückgang
Großbritannien hat seinen Verhaltenskodex für Abgeordnete 1995 erneuert. Die Nolan-Kommission, welche Vorschläge für die Neugestaltung der Regelungen liefern sollte, forderte, dass dass nun auch Konsultationen öffentlich gemacht würden - „along with details of the renumeration, possibly in banded form“ (gemeinsam mit Details zur Entlohnung, zusammengefasst möglich).
Nach der Einführung 1996 gab es tatsächlich einen leichten Rückgang dieser Berufsgruppe im House of Commons: Vor der Neureglung gab es 83 Barristers/Solicitors, diese Zahl ist im Jahr 2005 auf 72 gesunken. Dieser Rückgang bedeutet allerdings nicht, dass diese Profession „aus dem Parlament gedrängt“ wurde. Insgesamt sind im House of Common 11.7% der MP\'s als Juristen tätig. Zum Vergleich: Im österreichischen Parlament sind insgesamt lediglich 12% der Abgeordneten in „freien Berufen“ tätig.
Quellen: Datenhandbuch des deutschen Bundestages, Library House of Commons: Social Background of MPs
Bild: Advokat, nordisk familjebok, gemeinfrei