04.12.2012
Moralischer Graubereich: Wenn Gesetze die Zivilberufe der Abgeordneten berühren
Grundsätzlich gilt, dass Abgeordnete nicht direkt für ihren eigenen Profit handeln dürfen - also nicht im Interesse ihres eigenen Unternehmens oder Arbeitsplatzes (ihrer Polizeiwache, ihres Krankenhauses). Kein Problem ist es, wenn ihr gesamter Berufsstand (z.B. alle Polizisten) von ihren Handlungen profitiert.
So ist es ist im Nationalrat durchaus üblich, dass Abgeordnete in Ausschüssen sitzen, die thematisch eng mit ihrem Zivilberuf verknüpft sind. So findet man im Gesundheitsausschuss überproportional viele Ärzte, im Unterrichtsausschuss Lehrer, im Tourismusausschuss Hoteliers und Gaswirte oder im Justizausschuss Juristen. Durch diesen Zustand vermischen sich unweigerlich Eigen- und Allgemeininteresse.
Das große Geheimnis „Unvereinbarkeit“
Für den Gesetzgeber stellt dieser potenzielle Interessenkonflikt kein Problem dar. Im neuen Unvereinbarkeitsgesetz heißt es: „Die Ausübung beruflicher Tätigkeit, auf Grund derer sich eine Vertretung von Interessen ergeben kann, ist, sofern nichts anderes bestimmt wird, zulässig“. Über die Zulässigkeit beruflicher Tätigkeiten verhandelt der Unvereinbarkeitsausschuss. Dessen Verhandlungen unterliegen allerdings der Geheimhaltung. Die Wähler haben nicht das Recht zu erfahren, warum bei bestimmten Politikern keine Unvereinbarkeit vorliegt.
Zwei Fälle aus der jüngsten Vergangenheit
Als Beispiel für einen Grenzfall der Vermischung zwischen Eigen- und Allgemeininteressen kann die Entstehung des Schweinemastgesetzes diskutiert werden. Es wurde im Landwirtschaftsausschuss verhandelt, Ausschussobmann war Jakob Auer Er vertritt als Bauernbund-Mitglied (inzwischen Präsident) die Interessen der Bauern. Auer kommentierte die Fertigstellung des Gesetzes mit den Worten: „Eine Lösung in der Frage Ferkelschutzkorb war mir ein ganz wichtiges, persönliches Anliegen. Jetzt fällt mir ein schwerer Stein vom Herzen. [...] Damit geben wir einer ganzen Branche, die Perspektive zurück, einen Schweinezuchtbetrieb wirtschaftlich und mit der nötigen Rechtssicherheit zu führen.“
Unerwähnt bleibt: Auer ist im Zivilberuf Schweinezüchter, er hat den familiären Schweinezuchtbetrieb mittlerweile an Frau und Kinder überschrieben.
Einen ähnlichen Fall stellt das neue Unvereinbarkeits- und Transparenzgesetz dar. Rechtsanwälte und Freiberufler müssen auch ab 1. Jänner ihre Klienten nicht bekanntgeben. In anderen Ländern, wie etwa Großbritannien, dass ebenfalls durch massive Korruptionsfälle erschüttert wurde, ist das inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Selbst eine anonymisierte Veröffentlichung nach deutschem Vorbild wurde abgelehnt. Verhandlungsführer im Verfassungsausschuss waren ausschließlich Juristen, etwa der Rechtsanwalt Peter Wittmann (SPÖ), Wolfgang Gerstl (ÖVP) oder Peter Fichtenbauer und Harald Stefan (beide FPÖ). Anwälte müssen momentan ihrer Klienten nicht einmal einem internen parlamentarischem Kontrollgremium wie dem Unvereinbarkeitsausschuss melden. Wurde hier Lobbying in eigener Sache betrieben?
Pikantes Detail: Meldet ein Abgeordneter seine Nebeneinkünfte nicht korrekt, erwarten ihn keine Sanktionen.
Drei Maßnahmen für mehr Transparenz
"Meine Abgeordneten" fordert eine offene Diskussion über Interessenkonflikte von Abgeordneten. Abhilfe könnten drei Maßnahmen schaffen:
- 1.: Eine verpflichtende „Declaration of Interests“ nach britischem Vorbild: Dort müssen Abgeordnete vor einer Parlamentsrede darlegen, inwiefern sie persönlich von einer gesetzlichen Maßnahme betroffen sind.
- 2.: Verhandlungen im Unvereinbarkeitsausschuss öffentlich machen - natürlich unter Wahrung des Persönlichkeit- und Datenschutzes. Doch allein die Bekanntgabe, welche Fälle verhandelt wurden und warum diese wie beurteilt wurden, würde für mehr Transparenz sorgen.
- 3.: Ausschüsse sollen verstärkt mit Abgeordneten aus unterschiedlichen, auch fachfremden Berufsschichten beschickt werden.