30.05.2017
Teamwork im Europäischen Parlament. Wie Abgeordnete ihre Büros besetzen.
Für die Bewältigung des intensiven Sitzungsalltags in Brüssel, Straßburg wie auch im eigenen Land beschäftigen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments Teams, die sie in der parlamentarischen Arbeit - und zwar aussschließlich, etwa durch Recherchen, Analysen, Auf-, Vor-, Nachbereitung, Kommunikationsaufgaben und dergleichen - unterstützen. Bei deren Auswahl und Zusammenstellung haben sie größtmögliche Freiheit. Das macht Sinn, denn für die Tätigkeit ist zuallererst eine hervorragende Vertrauensbasis notwendig.
Regeln und Skandale
Grundsätze, wie zum Beispiel die Vermeidung von Korruption oder Interessenskonflikten, ergeben sich zunächst aus dem Verhaltenskodex, der allerdings nicht immer Verstöße verhindern kann. Einer der prominentesten Fälle erreichte im diesjährigen französischen Präsidentschaftswahlkampf besondere Brisanz. So monierte das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF (Office Européen de Lutte Anti-Fraude), die französische EU-Abgeordnete und Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen habe MitarbeiterInnen für ihre rechtsextreme Partei Front National regelwidrig über ihr Parlamentsbüro finanziert. Die dafür geforderten Rückzahlungen von über 300.000 Euro blieb sie der EU schuldig, und muss nun lediglich mit einer Halbierung ihrer Diäten leben. (Siehe hier oder auch hier.)
In Polen wiederum wundern sich manche darüber, dass einzelne EU-ParlamentarierInnen zwar mit äusserst geringer Unterstützung vor Ort auskommen, jedoch eine Vielzahl von bis zu siebzehn AssistentInnen alleine im Heimatland benötigen. (Vgl. auch hier.) Österreichische EU-ParlamentarierInnen weisen dagegen ein durchwegs ausgewogenes Verhältnis von akkreditiertem und örtlichem Personal auf (siehe Grafik im Anschluss). Lediglich Delegationsleiter Harald Vilimsky (FPÖ) setzt einen merklichen Schwerpunkt auf heimatliche Unterstützung durch vier MitarbeiterInnen, in Brüssel findet er mit nur einer halben Kraft sein Auslangen.
Der Verhaltenkodex ist als Teil der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments absolut verpflichtend. Die Leitprinzipien der Uneigennützigkeit, Integrität, Offenheit, Sorgfalt, Ehrlichkeit, Verantwortlichkeit oder Wahrung des guten Rufs des Parlaments sind darin festgeschrieben, ebenso wie Abstimmungsfreiheit, Verbot bezahlter gewerblicher Lobbytätigkeit und generell das Gebot der Unbestechlichkeit. Abgeordnete dürfen keine engen Verwandten als AssistentInnen einstellen, und diese müssen ebenso wie sei selber Tätigkeiten meiden, durch die ein Interessenkonflikt aufkommen könnte. Die Namen bzw. Firmenbezeichnungen aller AssistentInnen werden während der Laufzeit ihrer Verträge auf der Website des Parlaments veröffentlicht. Mögliche Interessenskonflikte müssen in der "Erklärung der finanziellen Interessen" auf der EU-Webseite der oder des jeweiligen Abgeordneten publiziert werden.
Die feinen Unterschiede. AssistentIn ist nicht gleich AssistentIn.
Mit einem dezidierten monatlichen Gesamtbudget von derzeit 24.164 Euro kann jedeR Abgeordnete Personal “einkaufen”, und zwar in mehreren Ausprägungen, die sich vor allem durch Arbeitsort und Vertrag unterscheiden. Diese werden im Beschluss des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 19. Mai und 9. Juli 2008 mit Durchführungsbestimmungen zum Abgeordnetenstatut des Europäischen Parlaments sowie in den Conditions of Employment of Other Servants of the European Communities definiert.
Akkreditierte AssistentInnen sind in Brüssel, Luxemburg oder Straßburg über die Verwaltung des Parlaments angestellt. Örtliche AssistentInnen arbeiten dagegen zur örtlichen Unterstützung im jeweiligen Mitgliedstaat. Diese Verträge werden von einer Zahlstelle, etwa einem Wirtschaftstreuhand-Unternehmen betreut, das sich um die Einhaltung der nationalen Sozialversicherungs- und Steuervorschriften kümmert. Mehrere Abgeordnete können sich AssistentInnen auch teilen und nach einem Schlüssel abrechnen. Während akkreditierte AssistentInnen nach Besoldungsgruppen des Europäischen Parlaments bezahlt werden, gibt es für örtliche AssistentInnen lediglich Obergrenzen, jedoch keine Mindesthonorare.
PraktikantInnen können wiederum im Parlament oder im MItgliedsland stationiert sein. Hier gibt es zusätzlich die Möglichkeit einer Art Drittmittelfinanzierung im Rahmen von Trainee-Programmen, die in Österreich etwa von der Industriellenvereinigung oder der Wirtschaftskammer durchgeführt und finanziert werden. So geben Othmar Karas (ÖVP) und Paul Rübig (ÖVP) an, Personal von den beiden genannten Interessenvertretungen bereitgestellt zu bekommen. Welche Organisationen, Kammern oder Verbände für die Entsendung von Trainees grundsätzlich Personal bereitstellen dürfen, war im Rahmen der durchaus umfangreichen Recherchen nicht in Erfahrung zu bringen.
Ein möglicher Interessenskonflikt wird jedenfalls laut Auskunft aus dem Büro der österreichischen ÖVP Delegation darin nicht gesehen, denn Weisungsbefugnis an diese Trainees habe ausschließlich der oder die Abgeordnete. Anderswo ist man demgegenüber eher reserviert eingestellt: “Solche Traineeprogramme von externen Verbänden sind mir im EP nicht bekannt, wir würden das auch sehr ablehnen,“ so Ralf Bendrath aus dem Büro des deutschen EU-Parlamentariers der Grünen Jan Philipp Albrecht auf Anfrage per Email.
Grafik: AssistentInnen bei österreichischen EU-Abgeordneten nach Kategorie
Text, Infografik: Mag. Dr. Michaela Amort, MES
Photo: © European Union 2017 - European Parliament
Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zum Schwerpunkt EU, bisher erschienen:
- Im Fokus: Österreichische Abgeordnete im EU Parlament.
- Mehr und nicht weniger Europa. Die EU-Parlamentarierin Karoline Graswander-Hainz im Interview.
- #EU60
- Wenn neue Kontakte den Assistenten für den Abgeordneten halten. Angelika Mlinar über ihren Alltag als EU-Parlamentarierin.
- Die EU endlich als etwas Normales betrachten. EU-Abgeordnete Claudia Schmidt über Zukunft Gender und Autobahnmaut.
- An einer Sozialunion bauen. Monika Vana über ihre Arbeit im Europäischen Parlament.
- In eigener Sache: Kein Interview mit der österreichischen EU-Parlamentarierin Barbara Kappel.